Neue Maschinen und Werkzeuge im Stampflehmbau
LEHM 2024 – Ein Impuls von Martin Rauch
Entwicklung
Die Stampflehmbauweise beruht auf einer sehr alten Technik, die ohne jegliche Stabilisierung auskommt – damals wie heute.
Mineralische Erden als Baustoff haben ein enormes Potenzial – von handwerklich geprägten, arbeitsintensiven Methoden bis hin zu hochtechnologischen, maschinellen Ansätzen. Trotzdem ist diese Bauweise aus der kollektiven Architektur weitgehend verschwunden. Zwei Gründe sind besonders entscheidend: Die industrielle Revolution machte Massenmaterialien billiger und leichter zugänglich, und parallel dazu wurde Bauen mit Erde als regressiv oder gar als Symbol von Armut stigmatisiert.
Beim Stampflehmbau wird erdfeuchtes, krümeliges Material in Schichten in eine Schalung gegeben und verdichtet. Diese Verdichtung – mit Handstampfern oder modernen Rüttelmaschinen – verwandelt die lose Erde in eine tragfähige, lastabtragende Masse. Für die Qualität des Endergebnisses spielt es keine entscheidende Rolle, ob die Verdichtung manuell oder maschinell erfolgt.
Anhand unserer Projekte dokumentieren wir, welche Materialeigenschaften Stampflehm so wertvoll machen und wie wir durch Innovationen in der Vorfertigung Stampflehmbauteile effizienter und für größere Bauvorhaben einsetzbar machen.
Viele unserer innovativen Bauprojekte wären ohne begleitende Forschung und die Entwicklung spezieller Werkzeuge und Maschinen nicht realisierbar gewesen. Dabei hat sich gezeigt, dass Martin Rauch oft genauso viel Zeit in die Konstruktion und Anpassung von Maschinen investiert wie in die Arbeit am Baustoff selbst.
Unser Ziel ist es nicht, den Stampflehm mit Zement oder anderen chemischen Zusätzen zu verändern. Stattdessen entwickeln wir Werkzeuge und Maschinen, die den Bauprozess erleichtern, ökonomisch tragfähig machen und die Arbeit für alle Beteiligten effizienter gestalten. Denn die Entwicklung von Werkzeugen war schon immer ein entscheidender Faktor, um harte Arbeit zu erleichtern.
Aufbereitung


Ein zentraler Vorteil der Stampflehmtechnik ist, dass sich das lokale Aushubmaterial der Baustelle weitgehend direkt verwenden lässt. Aus unserer langjährigen Erfahrung lässt sich sagen, dass in der Regel 50% bis 100% des Aushubs für verschiedene Lehmbauweisen genutzt werden können.
In Österreich z. B. fallen rund 65% der Bauabfälle als Aushubmaterial an, das größtenteils entsorgt und deponiert werden muss. Dabei werden diese Materialien oft über große Strecken transportiert, was die CO₂-Bilanz von Baustellen deutlich belastet.
Die Aufbereitung ist am einfachsten, wenn das frisch ausgehobene Material sofort bei trockenem Wetter durch geeignete Siebanlagen geleitet wird. So können die lehmig-steinigen Bestandteile im Bereich von 0–32 mm separiert werden. Gröbere Steine werden idealerweise in einer Prallmühle auf Körnungen von 0–22mm, 22–32mm und 32–70mm gebrochen.
Auf Basis der enthaltenen Mineralstoffe und eventuell weiterer leicht verfügbarer Materialien werden ein bis drei Probemischungen erstellt. Diese werden zunächst probegestampft, was erfahrenen Fachleuten sofort einen ersten Eindruck über die Qualität gibt. Nach der Überprüfung der Druckfestigkeit wird die beste Mischung für das Bauprojekt ausgewählt.
Die Lagerung und das Mischen der einzelnen Komponenten gemäß Rezept erfordern viel Platz, der auf engen Baustellen oft nicht vorhanden ist. Deshalb ist es künftig sinnvoll, dass lokale Recyclingbetriebe krümeliges Stampflehmmaterial aus Bodenaushub in ihr Sortiment aufnehmen. Darauf könnten Lehmbaubetriebe direkt zurückgreifen – das schont Deponien und senkt langfristig die Kosten für das Material.
Für die Aufbereitung des Aushubs lassen sich weltweit vorhandene Schotteraufbereitungsanlagen nutzen. Spezielle Lehmaufbereitungsanlagen sind nicht notwendig.
Für das Mischen vor Ort werden die Erdkomponenten nach Rezept auf einem befestigten Platz mit dem Radlader aufgeschichtet und gründlich vermischt. Seit Jahrzehnten setzen wir außerdem einen selbst gebauten, fahrbaren Wendemischer ein, den wir „Wendelin“ nennen: Eine rotierende Mischwelle fährt auf Raupenfahrwerk durch die aufgeschichtete Erde, wobei Wasser bei Bedarf zur Einstellung der optimalen Feuchtigkeit zugesprüht wird.
Darüber hinaus eignen sich auch umgebaute Betonmischer hervorragend für die Herstellung großer Mengen Stampflehm. Ein weiterer Vorteil von unstabilisiertem Stampflehm ist, dass er in großen Mengen vorgemischt und feuchtigkeitsgeschützt unbegrenzt gelagert werden kann. Durch das sogenannte „Mauken“ verbessert sich die Qualität der Mischung während der Lagerung zusätzlich.
Logistik
Das Transportieren der erdfeuchten Stampflehmmischung in die Schalung ist ein zentraler Bestandteil, um ökonomisch die beste Lösung zu erreichen. Die Wahl des passenden Fördersystems stellt bei jeder Baustelle eine eigene Herausforderung dar, da immer individuell die Balance zwischen Handarbeit und Maschineneinsatz gefunden werden muss. Je nach Lohnkosten und Größe der Baustelle kann dies einen erheblichen Einfluss auf die Gesamtkosten haben.
Stampflehm ist schwer und lässt sich nicht pumpen. Das erdfeuchte, krümelige Material kann daher nur mit wenigen auf dem Markt verfügbaren Fördersystemen bewegt werden. Oft sind zusätzliche Umbaumaßnahmen nötig, um das Material schnell und einfach in die Schalung zu bringen. Aus wirtschaftlicher Sicht ist dies ein entscheidender Faktor. Gleichzeitig besteht hier noch Forschungsbedarf, um die Prozesse weiter zu optimieren.
Schalungssysteme


Kern einer historischen Stampflehmschalung bilden zwei parallele Bretter und ein Stirnbrett, die durch Zugelemente in der Wandstärke fixiert sind. Dazwischen wird die feuchte Stampflehmmischung lagenweise eingebracht und mit Handstampfern verdichtet.
Die Wahl und der gezielte Einsatz einer passenden Schalung sind entscheidend – sowohl für die ökonomische als auch für die qualitative Umsetzung einer Stampflehmbaustelle. Im Stampflehmbau muss die Schalung in der Regel stabiler ausgeführt werden als im herkömmlichen Betonbau, da nur so eine optimierte Verdichtung des Materials möglich ist.
Der horizontale lagenweise Verdichtungsprozess erfordert eine möglichst geringe Ankeranzahl im Arbeitsbereich und je nach Wandstärke wird das Schalungssystem angepasst.
Verdichtungsprozess
Die krümelige, erdfeuchte Stampflehmmischung wird je nach Situation dynamisch in die Schalung eingebracht: durch Schlagen, Stampfen, Vibrieren, Rollen oder Pressen – einzeln, hintereinander oder kombiniert. Dabei lässt sich im Prinzip dasselbe Verdichtungsergebnis mit Handstampfer oder vollautomatischer Technik erzielen.
Diese Vielseitigkeit macht den Stampflehmbau so faszinierend: Die Technik ist gleichermaßen für Lowtech- wie für Hightech-Lösungen geeignet. Das händische Stampfen ist jedoch sehr anstrengend und zeitaufwendig. Deshalb wurden über die Jahre pneumatisch oder elektrisch betriebene Handstampfer entwickelt, die die Arbeit deutlich effizienter machen.
Ursprünglich waren diese Stampfer nicht für den Lehmbau gedacht, sondern für das Formen von Sand im Metallgussverfahren. Mit der Umstellung auf andere Pressverfahren wurde die Produktion solcher Handstampfer stark reduziert oder eingestellt. Durch die Renaissance des Stampflehmbauens – auch weltweit mit zementstabilisierten Projekten – werden heute wieder verschiedene pneumatische Handstampfer unterschiedlicher Größen von mehreren Herstellern angeboten.
Auf dem Markt gibt es gedämpfte und ungedämpfte Stampfer. Ältere, bewährte Modelle sind meist sehr leistungsstark, aber ungedämpft und erzeugen hohe Vibrationswerte.
Um weiterhin große Stampflehmprojekte effizient realisieren zu können, entwickeln wir Maschinen, die die Stampfer aufnehmen und selbständig Schicht für Schicht innerhalb der Schalung verdichten. Ein ähnliches System haben wir bereits erfolgreich in unserer stationären Vorfertigungsanlage umgesetzt.
Zur Minimierung manueller Arbeit setzen wir in der Regel elektrisch betriebene Vibrationsplatten ein; bei großen Schalungen kommen sehr schmale, aber schwere Vibrationswalzen zum Einsatz.


Vorfertigung
Seit 2012 betreiben wir die weltweit erste Vorfertigungsanlage für Stampflehmelemente. Diese Anlagen haben wir mittlerweile an vier Standorten als sogenannte „Feldfabriken“ eingesetzt. Die erste Anlage nennen wir liebevoll Roberta I, inzwischen gibt es auch Roberta II, die aktuell für ein Großprojekt in Frankreich zwanzig Monate an einen Baukonzern inklusive Know-how-Transfer vermietet ist.
Kern der Anlage ist eine 40 bis 70 Meter lange Schalung, entlang derer die komplexe Maschine auf Laufschienen verfahrbar ist. Zentraler Bestandteil ist der Beschicker, der das Stampflehmmaterial aufnimmt und über ein Querförderband lagenweise in die Schalung einbringt und auf Höhe abzieht. Direkt dahinter sorgen Vibrationsplatten für eine Vorverdichtung der Lehmschicht. Anschließend übernehmen sehr starke, ungedämpfte pneumatische Handstampfer auf einer schwenkbaren Halterung das endgültige Verdichten.
Diese komplexe fahrbare Maschine übernimmt in einem Arbeitsgang die härteste und anstrengendste Arbeit im Stampflehmbau – das entspricht der Arbeit von vier Mitarbeitern gleichzeitig, ohne gesetzlich vorgeschriebene Nutzungsbeschränkungen. So können wir Lehmelemente zeitsparend, kräfteschonend und qualitativ konstant herstellen.
Die Anlage ist modular aufgebaut: An Beschicker und Kernsystem lassen sich unterschiedliche Werkzeuge anbringen. Damit können wir Lehmelemente von 6 bis 85cm Wandstärke erzeugen. Nach dem einseitigen Ausschalen wird eine Schneidemaschine montiert, die die Wand in Segmente zerteilt, die sukzessive aus der Schalung gehoben und zum Trocknen gestapelt werden.
Eine solche Feldfabrik benötigt ausreichend Platz, idealerweise in einer Halle oder unter einem temporären Dach, und ist wirtschaftlich sinnvoll ab einem Projektumfang von über 2.000m² Lehmwandfläche.
Die Weiterentwicklung der Feldfabrik ist die sogenannte Feldmaschine – ein komplett neuer Ansatz. Ziel ist eine mobil einsetzbare, kompakte und schnell aufstellbare Maschine, die vorne mit Stampfmaterial befüllt wird und im Kern gleichzeitig Schalung, Verdichtung und Zuschnitt übernimmt. Rückseitig werden fertige Stampflehmblöcke ausgegeben. So kann die Technologie direkt zur Baustelle gebracht werden, statt Material zu transportieren. Diese Lösung ist besonders interessant für kleinere Projekte.
Pressluftbetriebene Stampfer sind energieaufwendig und ineffizient. Deshalb haben wir für Roberta II einen starken Elektrostampfer entwickelt, der nur ein Fünftel der Energie benötigt und deutlich leistungsfähiger ist. Durch das höhere Gewicht wird er entweder an einer Maschine montiert oder auf einem fahrbaren Trolley entlang der Schalung geführt. Nach anfänglichen Tests hat sich dieser Elektrostampfer in der Praxis bestens bewährt.
Perspektiven
Das Potential der Maschinenentwicklung im Stampflehmbau ist noch lange nicht ausgeschöpft. Angesichts der Tatsache, dass 1m³ Beton etwa 25-mal mehr CO₂ freisetzt als Stampflehm, wird deutlich, welche Bedeutung technologische Entwicklungen für den Klimaschutz haben.
Upscaling im Lehmbau ist nur durch kontinuierliche technologische Weiterentwicklung, begleitende Forschung, Ausbildung und das wachsende Interesse der Bauwirtschaft möglich. Transparente Kostenwahrheit für Bausysteme und politische Rahmenbedingungen, etwa in Form einer CO₂-Steuer, könnten fehlende Lobbyarbeit ergänzen.
Erfreulich ist, dass derzeit viele länderübergreifende Forschungsprojekte im Lehmbau aktiv sind – ein gutes Zeichen für weitere Innovationen. Vor allem helfen diese Entwicklungen, Vertrauen in unstabilisierte Lehmbauweisen zu stärken und den Stampflehmbau von einer Nischenlösung zu einer selbstverständlichen Bauweise zu machen.



