Martin Rauch
– Vom Ton zur Erde,
vom Handwerk zur Baukunst

Martin Rauch ist Keramikkünstler und Lehmbauexperte. Seit den 1990er-Jahren widmet er sich der Konzeption, Planung und Realisierung von Stampflehmbauprojekten, oft in Zusammenarbeit mit internationalen Architekturbüros. 1999 gründete er die Firma Lehm Ton Erde Baukunst GmbH. Neben vielen Auszeichnungen erhielt er 2022 den Global Award for Sustainable Architecture und seit 2010 ist er Honorarprofessor des UNESCO-Lehrstuhls Earthen architecture, building cultures and sustainable development.
Nicht über die Architektur, sondern über das Handwerk kam Martin Rauch zum Lehmbau. Seine ersten Erfahrungen sammelte er als Keramiker, Ofenbauer und Bildhauer. Die Nähe zur Erde, zum geformten Material, war ihm schon aus seinem bäuerlichen Elternhaus in Vorarlberg vertraut. Die dort gelebte Verbindung zwischen Arbeit, Umwelt und Gestaltungswille prägte ihn früh – ebenso wie der Wunsch, durch praktisches Tun Lebensräume zu schaffen.
Entscheidend wurde für ihn die Zeit in Afrika. Wie mehrere seiner Geschwister arbeitete er als Entwicklungshelfer und begegnete dort traditionellen Bauweisen, die mit einfachsten Mitteln aus lokalen Materialien funktionierten – und gleichzeitig brutal verdrängt wurden durch importierte, ressourcenintensive Technologien. Diese Kontrasterfahrung gab seinem künstlerischen Impuls eine globale Perspektive. Was ihn vorher instinktiv anzog – das Arbeiten mit Erde, das Formen mit Ton – fand nun einen konzeptionellen Rahmen. Aus dem Modellieren von Öfen wurde das Gestalten von Räumen. Aus Keramik wurde Architektur.

An der Wiener Hochschule für angewandte Kunst entschied sich Rauch, entgegen dem Wunsch seines Professors Matteo Thun, kein Teeservice zu entwerfen. Stattdessen widmete er seine Diplomarbeit einer umfassenden Studie zu neuen Gestaltungsmöglichkeiten im Lehmbau mit dem emblematischen Titel Lehm Ton Erde.
Schon früh galt sein besonderes Interesse der Stampflehmtechnik – einer Bauweise, die nicht auf Verkleidung oder Veredelung setzt, sondern das Material selbst sprechen lässt. Wie bei unglasierten Keramiken entsteht hier die Gestalt unmittelbar aus dem Herstellungsprozess: Die Schichtung des Lehms wird zur Struktur, zum Ornament, zur Aussage.

Mit dem feinen Gespür des Keramikers für die Zusammensetzung, die chemisch-physikalischen Bedingungen und Wirkungen des Materials begann Rauch, die Sprache der Erde zu erforschen – und weiterzuentwickeln. Es ging dabei nicht nur um die Sichtbarmachung des gestalterischen Potenzials, sondern ebenso um technische Präzision. Schritt für Schritt optimierte Rauch die natürlichen Materialmischungen, verfeinerte Verdichtungs- und Schalungstechniken und ergänzte die traditionellen Bauweisen gezielt durch Armierungsschichten – ohne deren strukturelles Prinzip zu verlassen. Werkzeuge, Gerüstsysteme und Arbeitsabläufe wurden kontinuierlich weiterentwickelt, Testmauern errichtet, und die gewonnenen Erkenntnisse flossen unmittelbar in die nächste Entwicklungsstufe ein.
1999 gründete Rauch die Lehm Ton Erde Baukunst GmbH, um den Stampflehmbau auf ein neues professionelles Fundament zu stellen. Seither verbindet das Unternehmen in interdisziplinären Teams Handwerk, Architektur, Forschung und Baupraxis. Unter seiner Leitung wurde Lehm nicht nur als nachhaltiger Baustoff wiederentdeckt, sondern als gestalterisch anspruchsvolle, tragende und zukunftsweisende Bauweise in zahlreichen Projekten international etabliert.



